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Die Absicht der Kooperation: das Zielkreuz


"Eines Tages kam Alice zu einer Weggabelung
und sah eine grinsende Katze in einem Baum sitzen.
'Welchen Weg soll ich nehmen?', fragte Alice.
'Wo willst du denn hin?', antwortete die Katze.
'Ich weiß es nicht', gab Alice zurück.
'Dann', sagte die Katze, 'spielt es keine Rolle.'"

Lewis Carroll, Alice im Wunderland


Nachdem wir das Ziel endgültig aus den Augen verloren hatten,
verdoppelten wir unsere Anstrengungen.

Mark Twain

 

 

 

 

 

 

Einführung 
 

Das Es bzw. das Ziel ist der unerlässliche Kristallisationspunkt einer Gruppe. Eine wesentliche Voraussetzung für die engagierte und erfolgreiche Arbeit an der Sache ist die bewusste Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung. Es ist eine weit verbreitete Illusion zu glauben, dass es genügt, Menschen ein Ziel oder eine Aufgabe mündlich vorzutragen oder schriftlich auszuhändigen.

Wirkliches Engagement aller Teammitglieder für eine gemeinsame Sache bekommt niemand geschenkt.
Alles hat seinen Preis. In diesem Fall ist es die Investition von Zeit, Geld, Energie und Nerven damit folgendes stattfinden kann:

  1. die persönliche Auseinandersetzung eines jeden Mitglieds mit dem vorgegebenen Ziel
  2. Beantwortung und Diskussion auch von kritischen Fragen nach dem Warum und Wozu
  3. der explizite Abgleich der Interpretationen, worum es bei der Aufgabe geht und woran die Zielerreichung gemessen wird. Wird der Erfolg vor allem an Quantität der Ergebnisse gemessen, an der Qualität, am Verbrauch der investierten Ressourcen oder an der Einhaltung des Abgabetermins? Da nicht alles gleichzeitig optimiert werden kann, ist die Einigung auf eine eindeutige Priorisierung sehr wichtig.

Warum ist die Auseinandersetzung mit solchen auf das Ziel bezogenen Fragen der notwendige Preis für wirkliches Engagement? Werden die Projektmitglieder nicht sowieso schon teuer bezahlt? Schließlich steht in ihrem Arbeitsvertrag, dass sie zu arbeiten haben. Hierzu möchte ich als Metapher etwas verwenden, das wir tagtäglich tun, wenn nicht gerade fasten: Essen.
Was verinnerlicht werden soll, muss verdaut werden. Wenn wir Nahrung verinnerlichen, dann muss sie zunächst einigermaßen schmackhaft zubereitet sein, damit wir überhaupt Appetit bekommen. Aber das reicht nicht. Dann müssen wir zubeißen und kauen und schließlich wird unser Körper entscheiden, was er brauchen kann und was er wieder ausscheiden muss, weil es uns sonst vergiften würde. Genau das selbe gilt für Zielvorgaben, die Menschen vorgesetzt werden. Meine Erfahrung ist, dass immer noch häufig geglaubt wird, die Lösung sei einfaches vorbehaltloses Schlucken. "Das muss in die Köpfe der Mitarbeiter!", heißt es dann. Stimmt - wobei ich hinzufügen möchte: Auch in die Herzen der Mitarbeiter, sonst werden sie nicht mehr von Herzen ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens liefern. Und wie gelangen Nährstoffe in den Körper? Über den Magen. Wer da nicht vorher kaut, bekommt Bauchschmerzen oder übergibt sich wenig später. Das gleiche gilt für mentale Speisen wie Zielvorgaben. Kurz: Es gilt den notwendigen mentalen Verdauungsprozess anzuregen, wenn ich andere Menschen wirklich für eine gemeinsame Sache gewinnen will. Diese notwendigen mentalen Verdauungsprozesse im Dienste des Auftrags finden idealerweise im Rahmen von sorgsam vorbereiteten und moderierten Startveranstaltungen für Projekte statt und sollten nicht zufälligen Gesprächen in den Pausen oder am Stammtisch überlassen bleiben.  

 

Die Entwicklungsaufgabe aller Beteiligten in Hinblick auf das Ziel besteht also darin, das vorgegebene, verordnete Ziel durch gemeinsame Fragen und Diskussionen zu einer gemeinsamen Sache zu machen, der sich jeder innerlich verpflichtet fühlt und für die jeder (entsprechend seinen Interessen) einen Beitrag leisten will.

Das Zielkreuz 

 

 

Das Zielkreuz ist ein hilfreiches Bild, um sich vier wichtige Aspekte der Auftragsklärung zu vergegenwärtigen. Bei diesem Instrument der Auftragsklärung handelt es sich um die sogenannte "Zielscheibe", die von "Coverdale Team Management Deutschland GmbH" entwickelt wurde und hier mit freundlicher Genehmigung dargestellt werden darf.

 

Was wollen wir erreichen?   

  • Was ist unser Produkt, unsere Dienstleistung, unser Beitrag zur Wertschöpfung?
  • Was soll am Ende dieser Sitzung / dieses Projekts erreicht sein?
  • Bei einer Sitzung: Geht es um reine Information oder soll auch diskutiert und entschieden werden?
  • Sollen Ideen, Meinungen und Sichtweisen gesammelt werden und ein gemeinsamer Vorschlag erarbeitet werden?
 

Warum? Wozu? Was ist das übergeordnete Ziel, der Sinn des Ganzen 

  • Warum kommen wir zusammen?
  • Wozu sind die Ergebnisse notwendig?
  • Welcher Vision dient unser Erfolg?
 

wer, für wen, Nutznießer, Betroffene? 

  • Wer ist der Auftraggeber?
  • Wer benötigt unsere Ergebnisse?
  • Wer hat einen möglichen Nutzen von unserer Arbeit?
  • Wer hat evt. Nachteile, verliert etwas, wenn wir erfolgreich sind?
 

Woran messen wir unseren Erfolg? 
 

  • Woran erkennen wir, dass wir erfolgreich gearbeitet haben?
  • Welche Vorgaben müssen berücksichtigt werden?
  • Was sind die Qualitätskriterien für unsere Ergebnisse?
  • Wie priorisieren wir die vier Optimierungskriterien:   

    • Qualität: so gut wie möglich
    • Quantität: so viel/umfangreich wie möglich
    • Ressourcen: so sparsam wie möglich
    • Zeit: so schnell wie möglich

     

Weitere wichtige Fragen für die Auftragsklärung

  • Was geschieht, wenn nichts geschieht? Sprich: Wenn nichts getan wird, was wird in absehbarer Zeit befürchtet, mich welchen Konsequenzen ist zu rechnen?
  • Warum gerade jetzt?
  • Gab es schon frühere Versuche, das Problem zu lösen - falls ja, welche und mit welchem Erfolg?
  • Angenommen, man wollte das bestehende Problem verstärken, was müsste man tun?

     
  • Gibt es Interessensgruppen in Ihrem Unternehmen (und ausserhalb: Kunden, Konkurrenten), für die mit der angestrebten Lösung Probleme entstehen, d.h. die eventuell auch ein Interesse daran haben, dass alles so bleibt, wie es ist?

Wie entsteht Auftrags-Unklarheit bzw. wie kann diese Unklarheit bestehen bleiben? 
 

Zum Beispiel:
 

1. Jeder einzelne erzeugt Klarheit für sich alleine, es wird jedoch im Projektteam und mit dem Auftraggeber nicht über die individuell erzeugte Klarheit gesprochen. Mit anderen Worten: jeder ist auf einem anderen Dampfer, aber niemand merkt es, bis man in unterschiedlichen Zielhäfen einfahren will. Spätestens dann ist Irritation, Frustration, Resignation und gegenseitige Schuldzuweisung sehr wahrscheinlich.
 

2. Jeder einzelne erzeugt Klarheit für sich alleine, es wird im Projektteam darüber gesprochen und es stellt sich heraus, dass die Summe der Einzelklarheiten insgesamt Unklarheit erzeugt, weil es ganz unterschiedliche Interpretationen des Auftrags gibt. Gefahr: man entscheidet sich im Projektteam für eine Interpretation des Auftrags, bezieht aber den Auftraggeber in diese Entscheidung nicht mit ein. Mit anderen Worten: Ohne die Reederei zu informieren, entscheidet man sich für einen Dampfer bzw. einen Kurs und lässt die anderen Dampfer liegen. Spätestens wenn die Projektgruppe einmütig in einen Zielhafen einfahren will, den der Auftraggeber sich nie vorgestellt hat, kommt es zu Irritation, Frustration mit dem Auftraggeber.
 

3. Der einzelne resigniert bei der Beantwortung wichtiger Fragen im Zielkreuz, kann also für sich alleine schon keine Klarheit erzeugen und leitet nicht entsprechende Schritte in die Wege, um zu den benötigten Informationen zu kommen:

  • Auf individueller Ebene
  • Auf der Ebene der Gruppe, des Projektteams, der Kollegen in der Abteilung
  • Auf Management-Ebene ( z. B. über Abteilungsleiter, der Kontakt zu anderen betroffenen Bereichen herstellt und auf höherer Hierarchie-Ebene Klärung herbeiführt.

Empfehlung: Vertrauen Sie nicht darauf, dass nur aufgrund der verteilten Zielvorgabe auch schon ein gemeinsames Verständnis herrscht. Es ist immer ratsam, noch einmal miteinander die Zielvorgabe explizit durchzusprechen, Fragen zu miteinander zu klären und über Interpretationsspielräume zu sprechen. Ggf. muss mit dem Auftraggeber noch einmal Rücksprache gehalten werden.

 

 

Literatur 
 

  • Arbeitsbuch Führen von Teams und Projekten, Coverdale