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Spannungsfelder der Organisationsentwicklung

Was sind die Spannungsfelder der Organisationsentwicklung?

Eine komplexe Organisation mit all ihren Mitgliedern bewegt sich in einem Feld vielfältiger Unternehmensziele, Abteilungsziele, persönlicher Ziele und Bedürfnisse ihrer Mitglieder sowie Anforderungen des Umfeldes, in dem die Organisation eingebettet ist (Markt, gesellschaftliches Umfeld). Diese Ziele und Bedürfnisse sind teilweise gegenläufig und können nicht alle gleichermaßen optimiert werden. Das bedeutet für die Führungskraft, dass sie in verschiedenen Spannungsfeldern agieren muss. Häufig werden die Spannungsfelder in Form von unangenehmen Dilemmata bzw. inneren Konflikten spürbar. Die Spannungsfelder können nicht ein für alle mal gelöst werden. Das bedeutet, dass es keine einfachen Rezepte gibt, sondern jedes Spannungsfeld individuell d.h. situationsgerecht ausbalanciert werden muss. So besteht häufig in Zeiten der Veränderung die Notwendigkeit, möglichst schnell Veränderungen umzusetzen und zu leben. Auf der anderen Seite braucht Entwicklung Zeit. Hier eine Übersicht über die Spannungsfelder, mit denen Sie auf jeden Fall rechnen müssen:
 

  • Schnelligkeit vs. Zeit für Entwicklung: wie schnell dürfen wir uns verändern, ohne dass wir Gefahr laufen, keine Zeit mehr für die notwendige Entwicklung zu haben, die für den Erfolg unseres Veränderungsprojektes unerlässlich ist (Lernen, Erwerb neuer Fähigkeiten, Klärung neuer Rollen und Funktionen, etc...)?
  • Vorgabe vs. Mitwirkung: Was muss "von oben" einfach gesetzt und entschieden werden - aber wo schaffen wir auch bewusst Gestaltungsspielraum für die Betroffenen, ohne deren aktive Mitwirkung die Veränderung nicht erfolgreich sein wird.
  • Komplexität vs. Vereinfachung: Zum Beispiel: wie stark dürfen wir unsere Organisation bzw. unsere Abläufe im Sinne der Effizienzsteigerung vereinfachen, ohne Gefahr zu laufen, dass wir der Komplexität unserer Umwelt nicht mehr gerecht werden?
  • Bewahren vs. Verändern: Was muss unbedingt verändert werden, aber was hat sich auch in der Vergangenheit bewährt und sollte auf jeden Fall beibehalten werden?
  • Transparenz vs. Geheimhaltung: Was darf und muss kommuniziert werden (wer sich einbezogen und informiert fühlt, ist eher bereit, mitzumachen) und was müssen wir aber derzeit noch geheim halten, um das Projekt nicht zu gefährden bzw. weil bestimmte Gesetze uns zur Geheimhaltung verpflichten?
  • Fürsorge vs. Eigenverantwortung: Wo unterstütze ich meine Mitarbeiter in Zeiten der Veränderung (in dem ich Ihnen z. B. bei der Suche nach einem neuen Job innerhalb des Unternehmens helfe) aber wo beginnt auch die Eigenverantwortung des Mitarbeiters?
  • Macht vs. Ohnmacht: Was liegt in unserer Macht, aber wo müssen wir uns auch eingestehen, dass wir ohnmächtig sind?
  • Loyalität und Treue vs. Zivilcourage und Trennung: Was kann ich in einem Veränderungsprojekt selbst mit tragen und so auch vertreten, aber wo sind die Grenzen meiner Loyalität gegenüber dem Unternehmen und welche Konsequenzen hat das für mich, wenn solch eine Grenze erreicht wird? Mache ich trotzdem weiter oder steige ich aus? Gehe ich in die Auseinandersetzung oder in die innere Kündigung?

 

 

 



 

Zum vorläufigen Abschluss hier noch ein paar Fragen für die Reflexion des eigenen Veränderungsprozesses:

  • Welche der obengenannten Spannungsfelder (vielleicht auch zusätzliche Spannungsfelder, die hier nicht aufgeführt sind) sind in Ihrem persönlichen Veränderungsprozess relevant?
  • Welche machen Ihnen besonders zu schaffen und welchen Pol dieser Spannungsfelder laufen Sie Gefahr zu vernachlässigen?
  • Wie könnten Sie bewusst und rechtzeitig auch den vernachlässigten Pol des relevanten Spannungsfeldes in Ihrer Veränderungsarbeit berücksichtigen, damit nicht jemand anderes diesen Pol auf eher blockierende oder destruktive Weise besetzt und Sie spätestens durch unangenehme Widerstandsphänomene dazu zwingt, sich damit auseinanderzusetzen?

 

Für eine Vertiefung der Logik komplementärer Werte siehe: Die Quadratur der Werte: Das Wertequadrat nach Helwig
 

Da Veränderungen immer auch mit Emotionen einhergehen, und Emotionen in der Praxis chronisch unterschätzt und verleugnet werden und gerade dadurch viel notwendige Energie für die Realisierung des Veränderungsprozesses verspielt wird, empfehle ich Ihnen die Lektüre des folgenden Kapitels:

 

  • Ehmer Susanne et. al.: Überleben in der Gleichzeitigkeit - Leadership in der Organisation N.N., Carl-Auer Verlag 2016